Montag, 17. November 2014

Wider die Instrumentalisierung des Gedenkens


Das Zusammentreffen von dem 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls und der friedlichen Revolution in der DDR mit dem Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen, das die Möglichkeit eines Ministerpräsidenten der LINKEN eröffnet, hat zu Begebenheiten geführt, die zeigen, dass das politische Klima immer noch von der Teilung und von der Perspektive des Kalten Krieges bestimmt ist (abgesehen davon, dass der Kalte Krieg auch weltpolitisch wieder da ist). Bundespräsident Joachim Gauck hat eindeutig eine parteipolitische Stellungnahme abgegeben, die ihm zwar nicht verboten ist, die aber zu Recht als unübliche Anmaßung kritisiert wird.
Damit missachtet er den Wählerwillen und die Willensbildung der möglichen Koalitionspartner. Es zeigt zugleich, dass immer noch gewisse Kreise ganz im Gestern leben, wenn sie nicht akzeptieren können, dass eine Partei an Landesregierungen beteiligt wird, die zwar Rechtsnachfolgerin der alten SED ist, sich aber sowohl von ihrem Spitzenpersonal als auch von ihrer Ausrichtung weitgehend erneuert hat. Nach dem Bild der Äußerungen von Gauck und anderen wirkt es geradezu so, als würde eine Landesregierung mit einem linken Ministerpräsidenten sowohl die Absicht haben als auch in der Lage dazu sein, die Verfassung außer Kraft zu setzen und eine neue DDR zu errichten. Die Bezugnahme auf die Stasi geht auch völlig an den Gegebenheiten der neueren Zeit vorbei, da erstens Bodo Ramelow aus dem Westen stammt und als Person gar nichts mit dem SED-Regime zu tun hat und zweitens damit ganz offensichtlich von den heutigen Problemen abgelenkt werden soll. Denn die Gefahr der Überwachung, die heute tatsächlich besteht, wie seit dem NSA-Skandal zu sehen ist, ist Joachim Gauck und denen, die ähnlich denken wie er, eher gleichgültig. Ebenso ist es auch bei Wolf Biermann, wenn er die Abgeordneten der LINKEN unmittelbar mit den früheren Machthabern der DDR identifiziert. Er bezeichnet sie als solche, die gar nicht links, sondern reaktionär seien, was einmal ebendies heißen könnte, dass er ihnen unterstellt, die Politik der SED fortzusetzen, aber auch, dass er sich einer Terminologie bedient, die darauf hinausläuft, alle Gegner und Kritiker der Globalisierung unter Führung der USA und der NATO als reaktionär zu etikettieren. Damit versucht er sich als ewigen Widerstandskämpfer gegen ein Regime zu stilisieren, das es seit 25 Jahren nicht mehr gibt, während er jetzt in Wirklichkeit selbst zum Opportunisten geworden ist, der die Opposition gegen die heutige etablierte Politik mit Schmähworten attackiert, die in ihrem dämonisierenden Stil schon selbst an die Wortwahl totalitärer Regime gegenüber ihren Gegnern erinnert.  Der Bundestagspräsident Norbert Lammert hat bei der Einladung an Wolf Biermann offensichtlich mit etwas Derartigem gerechnet, auch wenn er ihn scheinheilig süffisant daran erinnert hat, dass er nicht zum Reden, sondern nur zum Singen eingeladen worden ist. Insgesamt hat sich also gezeigt, dass die Spaltung des Landes noch immer sehr tief ist und die Schatten der Vergangenheit geeignet sind, die Gegebenheiten von heute zu verdecken, wenn Bundespräsident und Bundestagspräsident sich gegen die Gepflogenheiten parteipolitisch zwecks Demütigung der Linkspartei, die nach wie vor den Charakter einer Ostpartei hat, engagieren.



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